
„Ich habe den guten Kampf gekämpft,
den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt.“ (2 Tim 4,7)
Diese Worte, die der Apostel Paulus am Ende seines Lebens schreibt, können auch spiritueller Begleiter in der ehrwürdigen Basilika Sankt Paul vor den Mauern in Rom sein. Sie ist nicht nur ein Meisterwerk frühchristlicher und mittelalterlicher Baukunst, sondern vor allem ein Ort des Gedenkens, der Hoffnung – und des Endgültigen.
Die Basilika wurde über der Begräbnisstätte des Apostels Paulus errichtet, außerhalb der antiken Stadtmauern Roms – daher ihr Name „San Paolo fuori le mura“. Der Ort war seit dem ersten Jahrhundert eine Pilgerstätte. Über dem mutmaßlichen Grab errichtete Kaiser Konstantin im vierten Jahrhundert eine erste Kirche, die im Laufe der Jahrhunderte immer wieder erweitert, geschmückt und nach einem verheerenden Brand im Jahr 1823 neu aufgebaut wurde. Wer unter den mächtigen Säulen des Kirchenschiffs schreitet, spürt: Hier ist der Boden von Spuren der ersten Christen voll. Diese führen auch ins Abseits des gewaltigen Kirchenschiffs in den „Winkel des Paradieses“. Verborgen hinter Mauern und doch offen zum Himmel liegt einer der kostbarsten Schätze von Sankt Paul vor den Mauern: der mittelalterliche Kreuzgang, errichtet zwischen 1220 und 1241.
Die heutige Basilika ist ein Meisterwerk an Maß und Proportion. Ihre fünf Schiffe, getragen von 80 Granitsäulen, schaffen eine beeindruckende Weite. Der Blick wird durch das langgezogene Mittelschiff unweigerlich zum Altar gelenkt – zum Ort der Eucharistie, der Vergegenwärtigung des Opfers Christi. Über dem Altar erhebt sich das prächtige gotische Ziborium von Arnolfo di Cambio (1285), gleich einem Zelt der Begegnung. Und hinter dem Altar, im halbrunden Apsismosaik aus dem 13. Jahrhundert, thront Christus als Pantokrator – umgeben von Petrus, Paulus, Andreas und Lukas. Christus ist hier nicht der Gekreuzigte, sondern der Auferstandene, der Kommende, der Herr der Geschichte. Paulus, der sich selbst „zuletzt geborenen“ und „unwürdigsten der Apostel“ nannte (vgl. 1 Kor 15,8–9), darf ihm hier neben anderen Aposteln als Zeuge zur Seite stehen.
Wer durch das Hauptschiff geht, bemerkt bald die Mosaikmedaillons mit den Bildnissen aller Päpste von Petrus bis Franziskus. Sie bilden eine Lauflinie der (geistlichen) Einheit, die sich auf das Petrusamt zurückführen lässt. Natürlich sind die Legenden um die Anzahl der Mosaikfelder Legion. Dennoch wird es einmal keinen Platz mehr für ein weiteres Medaillon geben. Diese Tatsache bringt uns in ein heute vernachlässigtes Thema: die Konfrontation mit den letzten Dingen des Lebens.
Was diese Basilika abbildet, ist die Kraft des Endgültigen: mit dem Martyrium, dem Tod und dem Glaubenszeugnis, das keinen Rückzug mehr kennt. Paulus wusste um diese Letztgültigkeit. In einem bewegenden Brief schreibt er: „Die Zeit meines Aufbruchs ist nahe.“ (2 Tim 4,6) Diese Worte sollen nicht erschrecken, sondern trösten. Die Wege des Lebens haben ein Ende. Die Wege des Glaubens enden aber nicht im Nichts, sondern in Christus. Hier, an der Schwelle zwischen Innen und Außen, Leben und Tod, Möglichkeit und Endgültigkeit spüren Pilgerinnen und Pilger die Verheißung: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes.“