
Wer bei strahlendem Sonnenschein vor der Erzbasilika San Giovanni in Laterano steht, wird förmlich vom Weiß des Travertins geblendet. Ein Blickfang ist zudem der Abschluss der Fassade: die Heiligenbalustrade in deren Mitte Jesus mit dem Kreuz als „Salvator mundi“ thront. Bei all diesen visuellen Ablenkungen ist man fast geneigt, eine wichtige Inschrift zu übersehen. Links und rechts des Haupteingangs – mit den Symbolen der gekreuzten Schlüssel versehen – lesen wir: „Sacrosancta Lateranensis ecclesia, omnium urbis et orbis ecclesiarum mater et caput“ (Mutter und Haupt der Kirchen in der Stadt Rom und des ganzen Erdkreises). Ein dreifaches Weihepatronat gehört dazu: der heilige Erlöser, der heilige Johannes der Täufer und der heilige Evangelist Johannes. Außerdem ist sie eine der vier römischen Hauptbasiliken.
Heute haben wir einen anderen Blick. Für uns ist St. Peter das Zentrum, aber für 1.100 Jahre war die Basilika auf den Laterangründen (benannt nach den vormaligen Besitzern der Familie Laterani) die wichtigste Kirche des lateinischen Christentums. Die historischen Gründe dafür werden dem neugierigen Erkunder in einer Inschrift offenbart. Auf dem Platz vor dem Eingang der Basilika befindet sich der größte und älteste Obelisk Roms, auf dessen Sockel zu lesen ist: „Konstantin, der Sieger durch das Kreuz, hat die Ehre des Kreuzes gefördert.“ Kaiser Konstantin hat 312 diese Basilika und ein Baptisterium erbauen lassen – die ersten dieser Art und somit ein architektonischer Urtyp, der Vorbild für den Kirchenbau wurde. Aber auch ein programmatischer Urtyp, der für die Beziehung Orts- und Weltkirche stehen kann. Die Kirche hat es auch in den liturgischen Festkalender der Weltkirche geschafft. Am 9. November feiern wir das Fest der Lateranbasilika, denn sie stellt ein Zentrum dar, um das herum die vielen Ortskirchen verbunden sind – nicht lose, sondern als spirituelle Schwerkraft.
Wenn wir die Begriffe Mater und Caput, also Mutter und Haupt, nicht nur aus einem strukturellen Machtgedanken verstehen, sondern uns auf ihre geistliche Dimension einlassen, dann können wir sehen: das Zentrum nährt, hält und sorgt. Kirche als Mutter zu begreifen, führt uns sofort zum Primat in der Liebe. Das Haupt erinnert uns an den Petrusprimat, er ist der Garant und Motor des Zusammenhalts, der Zusammenschau und Orientierung einer vielfältigen Weltgemeinschaft. Liebe und Einheit sind Säulen unseres Kirche-Seins.
Eng ist die Kirche auch mit dem Heiligen Jahr verbunden: ein Relief im Inneren zeigt Bonifatius VIII. bei der Verkündigung des ersten Jubeljahres und man kann hier auch eine der Jubiläumspforten durchschreiten. Deutlich sichtbar sind an der Seitentür aus dunkler Bronze beim Fuß des Jesuskindes und einem Finger der Muttergottes die Berührungen von Millionen von Pilgern.
wissenswert
Ein besonderes Ereignis im Heiligen Jahr ist die Diözesanwallfahrt vom 17. bis 22. November mit Erzbischof Franz Lackner nach Rom. Als Vorbereitung auf diese Pilgerreise veröffentlicht das „Rupertusblatt“ eine 14-teilige Serie auf den Spuren der Heiligung und Hoffnung in der Ewigen Stadt.
Demnächst folgt Teil 4 mit dem Thema „Ablass: Hoffnung und Zukunft“.