Durch die Gründung der Caritasvereine, die er mit „frommen Frauen“ begann, lernte der heilige Vinzenz von Paul zunehmend das Potenzial der Frauen kennen. Auch die adeligen Damen erwiesen sich als unverzichtbare Helferinnen in seinem Engagement für die Notleidenden und Hilfesuchenden. Vinzenz verstand es, die Frauen in ihren vielen Fähigkeiten zu fördern. In so genannten „Konferenzen“ unterwies er sie in spiritueller Weise und motivierte sie für ihren Einsatz in den unterschiedlichen Aufgaben, sodass sie über sich selbst hinauswachsen konnten. Mit der Unterstützung des Priesters Vinzenz konnten sie damals als organisierte Frauengruppe vieles zum Guten wenden und der Not in der Umgebung tatkräftig entgegentreten. Ihr Ruf breitete sich aus, sodass auch in weiteren Pfarren neue Caritasvereine entstanden.
Bahnbrechend für die Frauen war die Gründung der „Filles de la charité“ (heute Vinzentinerinnen oder Barmherzige Schwestern vom hl. Vinzenz v. Paul) im Jahr 1633 mit der großartigen Unterstützung von Louise de Marillac. Als erste Frauengemeinschaft lebten die Schwestern außerhalb des Klosters, um Menschen in vielfältigen Nöten helfen zu können. Mit ihrer neuen Lebensweise waren sie eine echte Alternative zur strengen Klausur der Nonnen. Die Frauen legten keine Ordensgelübde ab, sondern ein Versprechen, das jeweils für ein Jahr galt und bis zum Tod immer wieder erneuert werden konnte. Für einige vinzentinische Frauengemeinschaften gilt dies bis heute.
Mit den folgenden Worten ermutigte Vinzenz die jungen Schwestern, die nicht immer ungefährlichen Wege zu den Bedürftigen zu gehen. Er sagte: „Ihr habt als Kloster die Häuser der Kranken, als Zelle eine Mietkammer, als Kapelle die Pfarrkirche, als Kreuzgang die Straßen der Stadt, als Klausur den Gehorsam, als Gitter die Gottesfurcht und als Schleier die heilige Bescheidenheit.“
Ich kenne keine religiöse Gemeinschaft, die der Kirche nützlicher wäre.
Und mit folgenden Worten machte Vinzenz den jungen Schwestern den hohen Wert ihrer Berufung deutlich und motivierte sie so, im Geist des Evangeliums zu leben und zu handeln. Er sagte: „Ich kenne keine religiöse Gemeinschaft, die der Kirche nützlicher wäre als die ‚Töchter der Christlichen Liebe‘, wenn sie ganz in ihrem Geist eingehen, wegen ihres Dienstes, den sie den Nächsten leisten können ...“
Die ersten Schwestern kamen fast ausnahmslos vom Land und kannten von Kindheit an harte Arbeit. Der Dienst für die Armen im Geist der christlichen Nächstenliebe war für diese Frauen eine sehr sinnstiftende und wertvolle Aufgabe. Mit unglaublichem Eifer und voller Hingabe arbeiteten sie in den Elendsvierteln der Stadt, in den Dörfern zur Pflege der Kranken und Alten, bei Findelkindern und Waisen sowie im Unterricht und für die Katechese. Auch um Gefangene in Spitälern kümmerten sie sich. Gedrängt von der Not der Zeit, sollten sie Gottes Güte und Menschenfreundlichkeit sichtbar und erfahrbar machen durch ein Christentum der Tat.
Mit Vinzenz von Paul und Louise von Marillac konnte Gott den Frauen der damaligen Zeit einen wesentlichen Platz in der Kirche zeigen, der bis heute (in allen Kontinenten) uneingeschränkte Bedeutung hat.
Sr. Cordula Kreinecker, Generaloberin, Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, Wien-Gumpendorf
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