Um 17.30 Uhr sollte laut Plan „Bewegung“ am berühmten Schornstein an der Sixtinischen Kapelle kommen. Wir betreten also kurz nach halb sechs den noch halbvollen Petersplatz und landen mit guter Sicht im vorderen Drittel. Der Rauch ließ auf sich warten, was Gelegenheit zur genauen Betrachtung der Umgebung bot. Es schien, als seien selbst die Statuen der Kolonnaden in Erwartung dessen, was auf uns zukommen sollte. Und auch die Sonne hat pünktlich um 18 Uhr hinter dem Dom ihren langsamen Untergang initiiert, nicht aber, ohne noch einmal das Kreuz der Kuppel erstrahlen zu lassen.
Auf einmal machte sich leiser Ju-bel breit. Ein schneller Blick auf die Leinwände: Kein Rauch, aber ein Möwenbaby, das auf dem Dach herumtapste. Der Mensch ist leicht zu begeistern, denke ich mir. In diesem Fall hatte das Warten allerdings prompt ein Ende. Kurze Überprüfung, dann Gewissheit, der Rauch ist jetzt eindeutig weiß.
Massives Glockengeläut und Jubel, links eine italienische Dame, die wohl die euphorischste Person am ganzen Platz darstellte. Sie rief, sich gar nicht mehr einkriegend, „Habemus Papam“. Ein Gänsehautmoment, den man noch schnell mit dem Handy einfangen und nach Hause schicken wollte, allerdings vergebens, das Netz war bereits nicht mehr vorhanden.
Dann betritt Kardinalprotodiakon Dominique Mamberti die Benediktionsloggia. Er spricht: „... Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Prevost, qui sibi nomen imposuit Leonem XIV.“ Das erfreute Raunen bei der Verkündung des gewählten Namens wurde akustisch alsbald durchmischt vom aufgeregten: Wer?
Un americano! (ein Amerikaner!)
Wieder Warten, dieses Mal mit Habitatskämpfen einer Möwe, die wohl ausprobierte, wie nahe man an die Kameradrohne heranfliegen und es gleichzeitig überleben kann.
Papst Leo XIV. trat auf den Balkon, um die Menge zu begrüßen und selten hat man eine sympathischere, liebevollere Art gesehen. Man hörte aufmerksam zu und konnte das Feuer der Worte richtig spüren.
Die amerikanischen Pilger wurden im Anschluss zur zweiten Attraktion des Abends. Fotografen hielten Ausschau nach „stars and stripes“, um erste Reaktionen einzufangen.
„Ich kannte ihn nicht und hätte nie gedacht, dass es ein Amerikaner wird“, sagte Joe aus Virginia. Und: „Das ist ein historischer Moment. Ich hoffe auf einen heiligmäßigen Papst. Heute habe ich noch am Grab von Leo XIII. gebetet, ich wünsche mir einen Papst wie ihn.“
Das ist ein historischer Moment, ich hoffe auf einen
heiligmäßigen Papst.
Mario aus Portugal hat vor zwölf Jahren den großen Moment knapp verpasst. „Ich musste 2013 vorher abreisen. Franziskus zu ersetzen ist schwer, deswegen ist es auch vielleicht gar kein Nachteil, dass man Leo nicht schon im Vorhinein als Person kannte.“ Dazu ein Pater aus Texas: „Ich sah das nicht kommen und bin wirklich überrascht, es ist großartig. Nicht, weil er Amerikaner ist, es könnte jede Nation sein. Die Kandidaten sind nach außen hin etikettiert, das göttliche Gebet berücksichtigt aber, wer die richtige Person ist. In diesem Fall wurde sein Geist zu Leo geschickt.“
Nach aufregenden Stunden ging es hinaus in die römische Nacht, noch die Worte von Joe aus Virginia im Ohr: „Wir werden heute feiern!“
Bilder vom Petersplatz in Rom
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