
Es ist drei Uhr morgens. Plötzlich schlägt der Pager an. Peter Schleifer wirft einen Blick darauf, springt hellwach aus dem Bett, zieht sich ein T-Shirt und eine Hose über, schnappt sich den Autoschlüssel und rennt durchs Stiegenhaus zum Auto. Wenige Minuten später kommt er im nahegelegenen Feuerwehrhaus an. Dort ist alles in Alarmbereitschaft. In einer nahen Fabrikhalle gab es mehrere Explosionen. Die herbeigeeilten Feuerwehrmannschaften rasen zum Einsatz.

Manuela, Peter Schleifers Ehefrau kennt solche Situationen schon seit vielen Jahren und doch ist es immer wieder ein ungutes Gefühl, wenn ihr Mann zu einem Einsatz fährt. „Ich weiß ja nie, was genau passiert ist. Sorgen macht man sich immer. Kommt er wieder gesund nachhause? Es gibt Fälle, da sind ja auch die Feuerwehrmänner in großer Gefahr“, sagt die dreifache Mutter und sechsfache Oma. „Als Frau musst du verständnisvoll sein, dahinterstehen und überzeugt sein, dass dein Mann mit diesem Engagement etwas Gutes für die Gesellschaft macht“.
Peter Schleifer ist stellvertretender Löschzugskommandant und seit 38 Jahren beim Löschzug Niederalm der Gemeinde Anif: „Der bisher schlimmste Einsatz war für mich die Bergung einer Leiche, die schon länger im Wasser gelegen ist. Die Bilder bekommst du nicht mehr aus dem Kopf, aber auch bei verheerenden Verkehrsunfällen sehen wir Dinge, die wir verarbeiten müssen“. Um damit fertig zu werden, trifft sich die Truppe nach einem Einsatz zur Stressverarbeitung im Feuerwehrhaus: „Dann reden wir über das, was geschehen ist. Bei besonders schlimmen Fällen begleiten uns ausgebildete Kollegen. Der "Peer" in der Feuerwehr ist eine speziell ausgebildete Einsatzkraft, die als erste Ansprechperson für Feuerwehrleute nach belastenden Einsätzen oder schweren Krisen zur Verfügung steht. Gemeinsam mit psycho-sozialen Fachkräften unterstützen sie bei der Verarbeitung von psychisch belastenden Ereignissen und helfen das Risiko für psychische Erkrankungen, wie einer posttraumatische Belastungsstörung, zu reduzieren.
Aber auch die schönen Erlebnisse bleiben in Erinnerung. So spricht Peter Schleifer von der Dankbarkeit der Menschen bei Hochwassereinsätzen. „Selbst wenn Wohnungen und Keller voller Schlamm sind, versorgen sie uns mit Kaffee und Kuchen und fragen, wie sie sich erkenntlich zeigen können. Wir sagen den Leuten, dass ihr Dankeschön für uns der schönste Lohn ist.“
Dieser gilt ebenso den Feuerwehrfrauen. „Es gibt keinen Unterschied zwischen uns und den männlichen Kollegen“, sagt Barbara Ebner. Die hauptberufliche Bäckerin aus Niederalm ist seit 2003 dabei. „Wir haben die gleichen Aufgaben, sind ebenso gefordert, auch bei schlimmen Ereignissen. Und wenn wir mit den Männern feiern, sind wir auch mittendrin“, erzählt sie und bekräftigt Letzteres mit einem Lächeln. Auf die Frage, warum sie sich auf diese Weise ehrenamtlich engagiert, muss sie nicht lange nachdenken. „Ich mache das, um der Gesellschaft etwas zu geben. Zu helfen ist mir ein Herzensanliegen.“

Tag und Nacht, 365 Tage im Jahr sind die ehrenamtlichen Florianijünger bereit. Bei manch schwierigen Einsätzen setzen sie sogar ihre Gesundheit oder ihr Leben aufs Spiel, um das von anderen zu retten. Trotz Blaulicht und Folgetonhorn müssen sie mit der Unberechenbarkeit anderer Verkehrsteilnehmender oder mit schwierigen Straßenverhältnissen rechnen. Mutig kämpfen sie gegen die Flammen. Schwere Atemschutzmasken schützen vor einer Rauchgasvergiftung und vor dem Einatmen von giftigen Dämpfen. „Vor kurzem haben wir eine Gästepension evakuiert. Alle Leute waren in Sicherheit, dann sagte uns jemand, dass noch eine Katze im Haus ist. Wir sind noch einmal hinein und haben sie gesucht, bis wir sie gefunden haben. Ein Tier ist ebenso ein Lebewesen“, sagt Peter Schleifer und erzählt auch von den vielen Übungen. Dafür treffen sich die sich die Kameradinnen und Kameraden regelmäßig: „Das ist notwendig, um jede Art von Einsatz bestmöglich abzuwickeln.“
So war er mit seinem Löschzug bei einer Großübung dabei. Damit die Zusammenarbeit zwischen den Feuerwehren der gleichen Alarmstufe und dem Roten Kreuz bei Verkehrsunfällen gut koordiniert wird, werden Situationen möglichst realistisch und praxisnahe nachgestellt. Diesmal: Auf der Landstraße zwischen Anif und Niederalm liegt ein Auto auf der Seite am Straßenrand, ein junger Mann sitzt regungslos am Steuer. Auf der anderen Straßenseite steht ein völlig verbeulter Klein-PKW, im Innenraum sind zwei junge Frauen, eine lehnt blutüberströmt über dem Lenkrad, die zweite hat eine Platzwunde auf der Stirn. Die zwei Fahrzeuge sind kollidiert. Einige Minuten später ist der First Responder des Roten Kreuzes am Ort des Geschehens und verschafft sich blitzschnell einen Überblick. Ebenso rasch sind die Feuerwehr Niederalm und die Freiwillige Feuerwehr Grödig zur Stelle, gefolgt vom Einsatzauto des Roten Kreuzes. Nun geht alles blitzschnell. Mit der Bergeschere wird der Verletzte geborgen und anschließend vom Roten Kreuz versorgt. Auch allen anderen Beteiligten bekommen rasch Hilfe. Mittendrin packen Raphael Oberndorfer und Markus Andechser ordentlich mit an. Die beiden sind 15 Jahre alt und seit sechs Monaten freiwillige Mitglieder beim Löschzug Niederalm. Während sie beim Aufräumen helfen, erzählen sie von ihren Beweggründen, sich ehrenamtlich zu engagieren. „Es ist ein gutes Gefühl, Menschen zu retten und es macht uns auch stolz dabei sein zu dürfen“. Nachwuchssorgen gebe es in Niederalm keine, bestätigt Löschzugskommandant und Stellvertreter des Ortsfeuerwehrkommandanten Franz Schönleitner. Er zeigt sich mit den Leistungen sehr zufrieden und bedankt sich herzlich bei allen für den professionellen Ablauf. Neben seiner hauptamtlichen Funktion des Oberbrandinspektors und Ausbildners an der Landesfeuerwehrschule Salzburg fungiert er beim Löschzug Niederalm als Kommandant. Warum er neben seinem Job auch noch als Freiwilliger arbeitet? Für ihn sei das eine Form von gelebter Nächstenliebe und spricht auch vom Gelöbnis, wenn junge Feuerwehrleute angelobt werden. Darin sei enthalten, dass sie, wenn notwendig, auch ihr Leben einsetzen.
Mit dem Leitspruch der Feuerwehren wird um himmlische Unterstützung gebeten: „Gott zur Ehr, dem Nächsten zur Wehr“. Dieser beschreibt den Einsatz der Feuerwehr, der sowohl der Ehre Gottes als auch dem Schutz und der Hilfe für die Gemeinschaft dient.
Ehrenamtliche Einigkeit kann Leben retten. Dies bestätigt First Responder Alfred Steinbacher. „Wenn ein Notruf eingeht, werden wir parallel zur Rettungskette alarmiert. Wir sind ausgebildete Rettungssanitäter und decken jeweils ein bestimmtes Gebiet ab, um die örtliche Nähe zu garantieren, wenn etwas passiert“. Egal zu welcher Tag- und Nachtzeit, wir sind die Ersten Vorort, kümmern uns um die Erstversorgung und übergeben dann der Rettung. Gibt es bei dieser ehrenamtlichen Tätigkeit auch schöne Momente? „Ich war schon einmal Geburtshelfer, als ich gesehen habe, das geht sich nicht mehr aus. Wir sind bestens auch für diesen Fall ausgerüstet“, sagt er und ganz ohne Worte sieht man an seinem Lächeln, wie sehr so ein wunderbares Erlebnis zwischendurch guttut....



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