RB: In diesen Tagen wird ein auf wenigen Seiten verschriftlichtes „Leitbild der Erzdiözese Salzburg“ veröffentlicht. Warum braucht es das?
Generalvikar Harald Mattel: Wir haben in den letzten Jahren sehr viel an der Frage gearbeitet: Wo wollen wir uns als Kirche von Salzburg hin entwickeln? Aus dem Zukunftsprozess (2016 bis 2018) und der synodalen Befragung mit mehr als 3.500 Personen haben wir dazu sehr gute Ergebnisse bekommen, aber auch gemerkt: Es ist gar nicht so leicht, 60 Seiten Grundsatzpapier in den Köpfen der Leute zu verankern. Mit dem „Leitbild“ wollen wir unsere gemeinsame Vision von Kirche so auf den Punkt bringen, dass man sich gerne damit beschäftigt. Weil es in einer einladenden Sprache verfasst und so komprimiert ist, dass man es tatsächlich liest.
RB: Wer sind die Adressaten dieses Papiers?
Mattel: Es richtet sich in erster Linie an all jene, die Kirche gestalten, also an Haupt- und Ehrenamtliche, Pfarrgemeinderäte, Priester, Diakone und alle anderen, die einen Dienst in der Erzdiözese ausüben. Aber es ist kein Geheimdokument für einen „inneren Kreis“. Wir freuen uns über alle Menschen, die mit uns unterwegs sind.
Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die Menschen die Gottesfrage stellen. Deswegen ist es wichtig, dass es bei uns selbstverständlich ist. Dass wir die Frage nach Gott lebendig halten.
RB: Und welche Themen stehen im Mittelpunkt?
Mattel: Ein ganz starker Impuls ist jener einer Kirche, die nah bei den Menschen ist. Diesen Grundsatz nehmen wir sehr ernst, auch mit unserem Leitprojekt „Kirche in der Region“. Was ist den Menschen in der heutigen Zeit wichtig?
Ein zweiter großer Schwerpunkt ist die Erkenntnis: Die Gesellschaft ist eine andere geworden. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass man glaubt und dass die Menschen die Gottesfrage stellen. Deswegen ist es wichtig, dass es bei uns selbstverständlich ist. Dass wir die Frage nach Gott lebendig halten.
Dafür bauen wir als dritten Schwerpunkt auf einen Ansatz missionarischer Pastoral. Dass wir nicht nur Bewährtes und Traditionen pflegen, sondern auch andere Wege gehen und uns fragen: Wie können wir Menschen neu für Gott begeistern – mit vielleicht ganz anderen Denkansätzen und Zugängen?
RB: Was bedeutet diese Theorie für die praktische Umsetzung?
Mattel: Das Leitbild legt gemeinsame Ziele und Werte fest, mit denen wir vor Ort auf die Suche nach konkreten Antworten gehen. Wir fragen zum Beispiel: Lieber Fachbereich Junge Kirche, wie glaubt ihr, dass man bei jungen Menschen die Frage nach Gott lebendig halten kann? Die Antwort wird dort vermutlich eine andere als in der Seniorenseelsorge sein. Und die Pfarre im Zillertal wird vielleicht andere Antworten geben als St. Elisabeth in der Stadt Salzburg. Wir vertrauen also auf die Kompetenz, Motivation und Expertise der Seelsorgerinnen und Seelsorger vor Ort, die ihre konkreten Antworten suchen.
RB: Es sind also keine fixen Vorgaben, sondern eher Denkanstöße?
Mattel: Betrachten wir es biblisch am Beispiel des Wirkens Jesu. Er beginnt seine Begegnungen fast immer mit Fragen, selten mit Antworten. Darauf baut auch dieses Leitbild auf: Wie ist die Welt? Wie ist die Kirche? Wonach sehnen sich die Menschen? Mit der Bündelung der Fragen und der Vision von dem „Was wollen wir?“ beginnen wir, die Antworten zu geben.
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