St. Gilgen. In seiner Schulzeit in Hallein in den 1930er-Jahren schrieb man noch mit dem Griffel auf der Schiefertafel, das Geld für die Oberschule reichte oft nur für die Erstgeborenen, die Bücher bekam Geog Hager gebraucht vom älteren Bruder. Es war kein leichter Weg, den der heute 94-Jährige bis zur Priesterweihe im Alter von 24 Jahren und darüber hinaus ging – aber ein segensreicher und erfüllter Weg.
RB: Sie stammen aus ärmlichen Verhältnissen. Wie hat Sie das geprägt?
Georg Hager: Ich bin stolz, ein Arbeiterkind zu sein. Wir sind sechs Kinder in einem Zimmer gewesen, das kann sich heute kein Mensch mehr vorstellen. Aber die Eltern haben sich für unsere Bildung eingesetzt und uns viel zugetraut. Schon mit neun Jahren bin ich über den Dopplersteig am Untersberg gegangen, mit zehn Jahren auf dem Fahrrad von Hallein nach St. Gilgen und retour gefahren.
RB: Wie kam es zu Ihrer Berufung?
Hager: Es war ein fließender Prozess. Der damalige Katechet hat mich noch vor der Erstkommunion gefragt, ob ich ministrieren will. Das habe ich dann bis ich 19 war, also praktisch bis zum Eintritt ins Priesterseminar, gemacht und dabei viele prägende Priestergestalten erlebt, darunter Dechant Hermann Oberwallner. Den konkreten Gedanken, Priester zu werden, hatte ich zum ersten Mal 1941. Da gab es in Hallein zwei Primizen in einem Jahr.
RB: Da waren Sie noch immer Schüler. Wie vertieften Sie in dieser Zeit Ihren Glauben?
Hager: Ich bekam in dieser Weltkriegs- und NS-Zeit Kontakt mit der Gruppe rund um den Priester Franz Wesenauer. Das war eine kleine, illegale katholische Jugendgruppe. Als ich aufgrund meiner christlichen Einstellung und wegen dieser illegalen Gruppe 1943 kurz von der Gestapo verhaftet wurde, war das ein einschneidendes Erlebnis. Ich war in vielerlei Hinsicht das, was man heute einen Quereinsteiger nennt. Das Borromäum war damals geschlossen, am Staatsgymnasium war ich auch nicht und als ich im Herbst 1949 ins Priesterseminar kam, war ich jemand, dem man zuerst einmal misstraut hat. Ich war auch der Erste, der sich dort geweigert hat, in die Marianische Kongregation der Priestertheologen aufgenommen zu werden. Ich wollte meine Gebete nicht unter Zwang auf eine bestimmte Weise verrichten und nachher vielleicht beichten müssen, weil ich es vergessen habe.
Ich war nie in kirchlichen Gremien. Den Konservativen war ich zu progressiv, den Progressiven zu konservativ.
RB: Sie haben Ihren Magistertitel wegen Problemen bei der Arbeitsfreistellung erst mit 47 erworben. Wie würden Sie Ihren Charakter beschreiben? Hartnäckig bis stur?
Hager: Stur nicht, hartnäckig schon. In Abersee sagen die Leute, wenn der Hager nicht so hartnäckig gewesen wäre, stünde die Kirche St. Konrad heute noch nicht. Ich war deshalb auch nie in irgendwelchen kirchlichen Gremien. Den Konservativen war ich zu progressiv, den Progressiven zu konservativ – oder nach meiner eigenen Einschätzung: Ich war zugleich zukunftsorientiert und traditionsverbunden.
RB: Eine Ihrer Leidenschaften war die Internetseelsorge, weshalb?
Hager: Ich habe mich ab 1999 auf diesem Weg als Gesprächspartner in Glaubensfragen angeboten. Das war wie ein elektronischer Beichtstuhl – mit anfangs rund 500 E-Mails pro Jahr und insgesamt mehr als 13.000 Mails, die ich bearbeitet habe. Eine der letzten Konversationen, an die ich mich erinnere, war mit einem erklärten, fundamentalen Atheisten. Die Korrespondenz war am Ende ein ganzes Dossier, mit 84 Seiten.
RB: Gerade wurden wieder sechs neue Priester geweiht. Welche Ratschläge würden Sie nach 70 Jahren als Priester dieser jungen Generation mit auf den Weg geben?
Hager: Wir hatten im Priesterseminar einmal einen Jesuitenpater zu Besuch, der es mit drei Sätzen auf den Punkt gebracht hat: Lernt‘s eure Theologie. Gebraucht‘s euren Hausverstand. Und fragt‘s nicht wegen jeder Kleinigkeit. Mit eigenen Worten würde ich es so ausdrücken: Alles, was ihr tut, soll für die Menschen und vernünftig sein.
wissenswert
Das 70-jährige Priesterjubiläum von Georg Hager wird am 7. Juli um 10.30 Uhr beim Gottesdienst in der Pfarrkirche St. Gilgen gefeiert. Dabei werden Mitglieder des ehemals von Hager mitbegründeten Jugendchores singen und Maria Pejcic wird den Jubilar würdigen.
Msgr. Georg Hager wurde am 8. Februar 1930 als zweites von sechs Kindern einer Arbeiterfamilie in Hallein geboren. Die kirchliche Laufbahn begann 1938 als Ministrant in der Bürgerspitalskirche. Nach dem Eintritt ins Priesterseminar wurde er am 11. Juli 1954 von Erzbischof Andreas Rohracher zum Priester geweiht. Er wirkte in Saalfelden, Brixen im Thale, Plainfeld, vier Jahre als Pfarrer in Faistenau mit Hintersee, zwei Jahre in Walserfeld, 17 Jahre in St. Gilgen, zwölf Jahre in St. Andrä und 20 Jahre in Ebenau. Auslandsstudien und -einsätze führten ihn nach Frankreich, Belgien, Großbritannien und Südkorea. Er war Jugendseelsorger, Gründer und Leiter der Tourismusseelsorge (36 Jahre lang), Professor an der Bundeserziehungsanstalt, subsidiarischer Militärpfarrer an der Wallnerkaserne und Internetseelsorger der Erzdiözese. „Ich bin hingegangen, wohin man mich geschickt hat“, sagt der zielstrebige Geistliche, der im Alter von 47 Jahren noch den Magistertitel erwarb. Seit September 2019 lebt Georg Hager als Pensionist in St. Gilgen.
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