Wien. Friedhöfe sind Orte des Gedenkens und der Ruhe – aber nicht nur. Gerade in großen Ballungszentren bieten sie zahlreichen Tieren und Pflanzen wertvolle Rückzugsräume mitten in der Hektik der Stadt. Wie viele es tatsächlich sind, die hier ihren Lebensraum gefunden haben, war lange unklar. 2021 aber wurde das CitizenScience-Projekt „BaF – Biodiversität am Friedhof“ ins Leben gerufen, um Licht ins Dunkel zu bringen. Koordiniert von Thomas Filek und Doris Nagel an der Universität Wien und in enger Zusammenarbeit mit der Wiener Friedhöfe GmbH und der Universität für Bodenkultur versucht man dabei, die biologische Vielfalt dieser besonderen Stadtoasen zu dokumentieren. Die Grundannahme: Friedhöfe in Städten stellen wegen ihrer Lage, Größe und der verschiedenen Naturflächen einen wichtigen Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen dar. Rehe, Füchse und Hamster wurden seither gesichtet, dazu zahlreiche Vogel- und Insektenarten, Pflanzen und Pilze. Auch Spuren wie Kot, Haare und Fährten wurden dafür dokumentiert.
Das Projekt trägt nicht nur zur Bestandsaufnahme der Fauna und Flora bei, es ermöglicht auch ein tiefes Verständnis des vielfältigen Ökosystems „Friedhof“ und unterstützt die Entwicklung nachhaltiger Maßnahmen zum Schutz der Artenvielfalt. Die Friedhöfe sind damit nicht nur stille Zeugen der Geschichte, sondern auch lebendige Knotenpunkte im Natur-Netzwerk Stadt.
„Alles Natur“: Paradiese schaffen
Für den Biologen Thomas Filek ist das Projekt „BaF – Biodiversität am Friedhof“ seit vielen Jahren „eine echte Herzensangelegenheit“. Besonders freut es ihn, dass damit Artenvielfalt nicht nur in fernen Ländern, sondern unmittelbar vor unserer Haustür sichtbar gemacht wird. Was ihn antreibt, ist die Überzeugung, dass wir Menschen nicht allein auf dieser Welt sind, dass wir Teil der Natur sind.
„Es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass es allen in diesem Miteinander gut geht“, sagt er. Und gerade da könne man eine Menge tun. „Es gibt so viele Möglichkeiten, kleine Lebensräume zu fördern oder zu erhalten“, so Thomas Filek. Das gelte im eigenen Garten, aber eben tatsächlich auch auf einem Friedhof. „Die Schmetterlinge und Wildbienen lieben die Naturgräber, die oft üppig und bunt bepflanzt sind. Die Feldhamster finden die natürliche Erde und die vielen uneinsehbaren Rückzugsmöglichkeiten auf einem Friedhofsareal großartig. Der Wiedehopf freut sich an den offenen Wiesenflächen und die Fledermäuse über die alten Bäume.“
stichwort citizen scientist
Citizen Scientists sind freiwillige Helferinnen und Helfer, die bei wissenschaftlichen Projekten mitwirken – ganz ohne Spezialausbildung, aber mit der Liebe und dem Auge fürs Detail. Beim Projekt „BaF – Biodiversität am Friedhof“ beobachten und dokumentieren sie Tiere, Pflanzen oder Pilze auf Friedhöfen. Sie liefern so wichtige Daten für die Forschung und helfen, die Artenvielfalt sichtbar zu machen und zu schützen.
Sie wollen auch eine Beobachtung melden? Nähere Informationen unter: baf-austria.at/sichtungsmeldungen
für sie gelesen
Artenvielfalt im eigenen Garten: Wie Grünflächen zu einem Zufluchtsort für Bienen, Schmetterlinge und andere Tiere werden können, davon erzählt Dave Goulson in seinem Buch „Wildlife Gardening“. Praktische Tipps zur Pflanzenauswahl und zur Pflege der Grünfläche eröffnen völlig neue Perspektiven. Eine Empfehlung für alle, die zur Erhaltung der Biodiversität beitragen möchten. – Dave Goulson: Wildlife Gardening. Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten. (Ullstein Verlag)
Aktuelles E-Paper