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Die „kids-line“ der Telefonseelsorge Salzburg feiert am 12. Oktober ihr 25-jähriges Bestehen. Sie gilt heute als stabiler Teil der psychosozialen Hilfsangebote. Kinder und Jugendliche sowie junge Erwachsene können sich österreichweit kostenlos telefonisch, per Chat oder E-Mail melden. Univ.-Prof. Leonhard Thun-Hohenstein, Gründer und langjähriger Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Christian-Doppler-Klinik (CDK), schätzt die Entwicklung der kinder- und jugendpsychiatrischen Angebote in Salzburg als „extrem positiv“ ein.
„Es gibt Interessen von jungen Menschen, in das Fach zu gehen und somit viel Nachwuchs im pädagogischen und psychologisch-psychotherapeutischen Bereich. Da hat sich vieles verbessert“, erzählte er im Gespräch mit der Erzdiözese Salzburg. Das schreibt er dem heute guten Ruf des Faches zu. Die Zahlen und Fälle der Kinder seien durch die noch andauernde Corona-Pandemie noch einmal gestiegen. „Um die 20 bis 25 Prozent aller unserer Kinder sind psychisch belastet und zehn bis zwölf Prozent sind behandlungsbedürftig. Das bedeutet eine Erhöhung auf 30 bis 35 Prozent durch die Corona-Pandemie und es geht noch nicht zurück“, erzählte er.
Studien von früher würden belegen, dass diese Zahlen durch Pandemien gestiegen, aber relativ schnell wieder zurückgegangen seien. „Sie gehen nicht zurück momentan, also nicht so stark, wie wir es alle gehofft hatten. Und das wird wohl an der übrigen Weltlage liegen, weil ich glaube, so schwierig war die Weltlage zumindest während meiner Lebenszeit bis jetzt noch nie. Mit all den Unsicherheiten von Krieg und Klimakatastrophe und all den Dingen, das schlägt sich sicher auch den Jugendlichen auf die Seele“, so sein Fazit.
„Kids-line“-Koordinatorin Katja Schweizer erzählte von den gro-ßen Themen, die die Kinder und Jugendlichen seit Beginn der Corona-Pandemie vermehrt belasten: „Was uns natürlich am meisten beschäftigt hat, war die enorme Expansion an Kindern und Jugendlichen, die sich überhaupt melden. Dann war eine der größten Neuerungen, dass das Alter derjenigen, die sich bei uns melden, immer weiter sinkt. Vor der Corona-Pandemie hatten wir de facto kaum Volksschüler, die sich selbstständig, also ohne Anbindung an ältere Geschwister bei uns gemeldet haben.“ Das habe sich stark verändert, sodass sich diese Gruppe als zusätzliche neue Gruppe definieren lässt. Schweizer wertet das als „Möglichkeit, dass diese Kinder auch mit mobilen Endgeräten ausgestattet worden sind, teils über die Schulen, und so die Möglichkeit hatten, sich zu melden“. Der Bedarf sei vermutlich vielfach schon vorher dagewesen.
„Was wir mitbekommen, sind es auf der einen Seite Kinder, die eben im familiären Umfeld Gewalt erfahren, wenig Halt mitbekommen, die sich eben die kids-line als sicheren Raum suchen, um sich zu öffnen, um sich auch neuen, vielleicht potenziell positiven Beziehungen zu erwachsenen Bezugspersonen wieder zu öffnen“, erzählte sie.
Auf der anderen Seite seien da Jugendliche, die während der Corona-Pandemie „symptombefreiter“ waren, weil sie etwa unter sozialphobischen Problematiken leiden. Da gehe es um junge Menschen, „die eigentlich sich jetzt nach dieser Zeit zurücksehnen, als quasi ihr Verhalten, was ihnen entspricht, als gesund galt und die sich jetzt natürlich sehr stark überfordert fühlen, dass sie eben wieder nach draußen gehen sollen, dass erwartet wird, dass sie Sozialkontakte pflegen und einen breiten Freundeskreis haben“. Oft erhalten sie kreative Dankes-Geschenke, die die Beraterinnen und Berater motivieren, dranzubleiben.
„Die kinderpsychiatrische Versorgung in Österreich und in Salzburg war total schlecht und daher musste was geschehen“, erinnerte er sich an die Gründungszeit zurück. Es gab die Jugendpsychiatrie in der CDK und es gab eine kleine Psychosomatik am Kinderspital. 2007 wurden Kinder- und Jugendpsychiatrie zusammengeführt, seit 2009 ist es eine Uniklinik. „Dann haben wir noch das Glück gehabt, dass wir diese neue Klinik bauen durften. Jetzt ist es eine richtige kinderpsychiatrische Universitätsklinik.“
Die „Kinderseelenhilfe“ sei aus ähnlicher Motivation heraus entstanden. Es gab damals keine niedergelassenen Kinderpsychiater, es gab keine Ambulanzen, „einfach nichts“, also folgte Anfang der 2000er die Gründung des ambulanten, kinderpsychiatrischen Dienstes mit Namen „Kinderseelenhilfe“, heute Kinder- und Jugendseelenhilfe. Er deckt derzeit den Lungau, Pongau und den Pinzgau ab. „Mittlerweile gibt es drei niedergelassene Kinderpsychiater-Positionen, eine in Bischofshofen und zwei in der Stadt Salzburg. Es gibt das Ambulatorium „Am Ball“, es gibt die Uniklinik. Also, es gibt jetzt schon eine sehr viel bessere Versorgung. Salzburg ist mittlerweile eines der bestversorgten Bundesländer in Österreich.“
Wobei auf die geplanten sechs niedergelassenen Stellen immer noch drei fehlen. „Man könnte auch noch eine Tagesklinik brauchen. Was noch fehlt, ist Home-Treatment, also wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Klinik mit den Kids nach Hause gehen und zu Hause vor Ort behandeln.“ eds
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Die „kids-line“ entstand 1999 auf eine Anfrage der Kinder- und Jugendanwaltschaft. Die Telefonseelsorge Salzburg hat mit diesem Dienst ein Angebot für Kinder geschaffen, das heute stabiler Teil des psychosozialen Hilfsangebotes ist. Bis zu 5.000 Kontaktaufnahmen deckt das Team, bestehend aus vier hauptamtlichen und 110 ehrenamtlichen Mitarbeitenden, im Monat ab.
Rund 100 Kinder werden regelmäßig über die „kids-line“ begleitet. Neben Entlastung und psychosozialer erster Hilfe in akuten und suizidalen Krisenzeiten ist ein Anliegen der „kids-line“, auf längere Zeit stabile Beziehungen und Bezugspersonen anzubieten. Kinder, Jugendliche und jungen Erwachsene erfahren Sicherheit, Vertrauen, Selbstwirksamkeit und Stabilität. wenn diese nicht vorhanden ist, und sich dadurch besser entwickeln können. Kinder- und Jugendliche sowie junge Erwachsene können sich österreichweit kostenlos telefonisch, per Chat oder E-Mail melden. Infos unter: www.kids-line.at
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