Salzburg. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Dass unsere Parteien und Politgranden von einer Vertrauenskrise in die nächste stolpern, belegt ein Blick auf jenen „Vertrauensindex“, den das Markt- und Meinungsforschungsinstitut OGM und die Austria Presse Agentur veröffentlichen (siehe unten). Die bunten Balken der Grafik bewegen sich auf die Frage „Ich habe Vertrauen zu ...“ nur bei fünf von 31 Politikerinnen und Politikern in den positiven oder neutralen Bereich. Alle anderen fallen in dieser Disziplin gnadenlos durch. Warum gegenseitiges Vertrauen in einer Demokratie aber so wichtig ist, führte bei den diesjährigen Salzburger Hochschulwochen die Politik- und Rechtswissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle aus.
Beschämendes Ergebnis: In der Vertrauensfrage werden Österreichs Politikerinnen und Politiker fast durchwegs negativ bewertet.
„Man könnte meinen, es genüge in einer Demokratie einen funktionierenden Rechtsstaat zu haben, Bürger- und Menschenrechte zu achten und durch das Zusammenspiel der Gewalten die gegenseitige Kontrolle zu gewährleisten. Aber ebenso ist das gegenseitige Vertrauen zwischen Politik und Gesellschaft eine Grundlage und Lebensader der Demokratie, denn mit sinkendem Vertrauen sinkt auch die Legitimität des Staates. Mit einer schwindenden Legitimation sinkt die Bereitschaft, sich an Gesetze zu halten – egal ob man sie für sinnvoll hält oder nicht – und es droht als Alternative ein Polizeistaat, den wir alle nicht wollen“, erläutert die Politikexpertin.
Es brauche für das gedeihliche Zusammenleben „eine Anerkennung der Verbindlichkeit der vom politischen System erlassenen Regeln“. Dazu zähle zum Beispiel, „freiwillig die Gesetze einzuhalten und seine Steuern zu zahlen“, sagt Stainer-Hämmerle. Hinzu komme eine Vorbedingung, die in den USA gerne als „common ground“ bezeichnet wird: eine gemeinsame Wertebasis für die Bereitschaft zur Kooperation jenseits von Parteizugehörigkeit. „Oder etwas deutlicher formuliert: eine Kooperation, die es schafft, auch ideologische Unterschiede zu überbrücken“, ergänzt die Politikwissenschaftlerin. Deshalb sei es auch im Wahlkampf wichtig, „nicht zu sehr das Porzellan zu zerschlagen, um danach wieder gemeinsam eine Regierung bilden zu können“.
Die langjährige Beobachterin und Analystin der politischen Geschehnisse ist überzeugt, dass der Pragmatismus nach der Wahl schnell zu Bündnissen führen werde, klammert aber auch die Schattenseiten nicht aus: „Was uns inzwischen so zermürbt, ist dieses permanente Gegeneinander, diese Suche der Parteien nach kurzfristigen politischen Erfolgen, ohne auf das Allgemeinwohl und die Zukunft zu achten. Dass man das Bedienen der eigenen Klientel so sehr in den Vordergrund stellt.“ Das führe zur paradoxen Situation, dass im Vertrauensindex vor allem jene Politikerinnen und Politiker vorne liegen, die in der öffentlichen Wahrnehmung eher „unpolitisch“ agieren – etwa Bundespräsident Alexander Van der Bellen. „Was wir offensichtlich gerne hätten, sind Politiker, die nicht politisch tätig sind oder sich nicht politisch äußern“, beschreibt Stainer-Hämmerle eine „interessante Stimmung“ im Volk.
Keine Partei wird sich zu hundert Prozent durchsetzen. Es wird jeder etwas nachgeben müssen. Kompromisse sind kein Versagen.
Apropos Stimmung: Die viel zitierte Polarisierung der Gesellschaft ist wissenschaftlich betrachtet eher eine Mär. „Wenn man versucht, das empirisch zu messen, stößt man eigentlich nicht darauf, auch nicht in den Sozialen Medien. Viele politische Kommentatoren und Autoren stimmen überein: Diese Spaltung der Gesellschaft wird mehr herbeigeredet, als sie tatsächlich stattfindet.
Bei den wichtigen Themen herrscht großteils Einigkeit, es sind eher bestimmte Details, wo sich die Diskussion explosiv verschärft. Also: Gleichstellung ja, aber keine Gendersprache. Umweltschutz ja, aber wer zahlt“, zitiert Stainer-Hämmerle aus der Fachliteratur. Und: „Zu beobachten ist eine Fragmentierung, eine Differenzierung, aber die Konfliktlinien decken sich nicht. Wir stehen vielleicht bei einem Thema nicht auf der gleichen Seite, vertreten aber bei einem anderen Thema wieder die gleiche Meinung. Es gibt also keine Spaltung im Sinne von: Die eine Gruppe steht immer gegen die andere Gruppe.“
Kathrin Stainer-Hämmerles Rat und Wunsch für die nach der Wahl anstehende Regierungsbildung: „Es geht in der Politik nicht darum, sich durchzusetzen, sondern gemeinsame Kompromisse zu finden. Wir müssen unser Verständnis bei so vielfältigen, auch prekären Koalitionen verändern. Natürlich wird sich keine Partei zu hundert Prozent durchsetzen – und das soll sie auch nicht. Und natürlich wird es keine Antwort auf unsere Probleme und Herausforderungen geben, die für alle die beste Lösung bietet. Insofern: Ja, es wird Kompromisse geben und es wird jeder etwas nachgeben müssen. Kompromisse sind kein Versagen – und das sollte man beim Wählen auch nicht bestrafen, sondern schauen: Wer versucht, gemeinsam mit den anderen zu arbeiten, zu kooperieren und Lösungen zu finden?“
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