RB: Zum Thema Vertrauen fallen einem spontan Fake News, Politikverdrossenheit und Wissenschaftsskepsis ein. Waren das Kerngedanken vor der Themenwahl für die Salzburger Hochschulwochen?
Martin Dürnberger: Das sind sicher einige Schlagworte, die uns beschäftigt haben. Wir versuchen ja immer Querschnittsthemen zu wählen, die sowohl für die Kirchen, für den Glauben als auch für die Gesellschaft von Interesse sind – und das Vertrauensthema ist genau ein solches. Es gibt mehr Medien, mehr Perspektiven als je zuvor, nicht mehr nur noch ORF 1 und 2. Dementsprechend muss man sich fragen: Wer ist glaubwürdig, wem kann ich vertrauen?
RB: Im Vorwort zum Programm stellen Sie die kritische Frage zwischen quasi gutem und blindem Vertrauen, das missbraucht wird ...
Dürnberger: Das ist die Idee: Gibt es eine Krise des Vertrauens? Ist es nicht auch klug, Vertrauen zu dosieren? Zugleich gibt es eine Form der völlig überschießenden Skepsis und wir wissen: Wenn das Vertrauen in einer Gesellschaft schwindet, dann ist das wie in einer Beziehung. Das geht nicht lange gut. In diesem Spannungsfeld machen wir diese Woche.
RB: Unter den Referenten wird es sowohl den philosophischen als auch den theologischen Ansatz geben?
Dürnberger: Genau. Martin Hartmann aus Luzern („Unaufrichtige Skepsis“) ist innerhalb der Philosophie derjenige, der am meisten zum Vertrauen publiziert hat. Und Thorsten Dietz aus Zürich („Gründe und Abgründe des Vertrauens“) wird das Thema von einer theologischen Perspektive angehen, auch zur Glaubwürdigkeit der Kirche.
RB: Aufgrund einiger Skandale hat ja auch die Kirche eine Vertrauenskrise. Sieht man sich manch harsche Reaktionen an, stellt sich die Frage: Ist da der Zug schon abgefahren?
Dürnberger: Es wird nicht so funktionieren, dass wir sagen: Das sind die fünf Punkte, mit denen wir wieder Vertrauen gewinnen. Nichts schreckt mehr ab, als der explizite Versuch, Vertrauen zu generieren – da gibt es ein Paradox der Vertrauenswürdigkeit. Es muss darum gehen, was man als wichtig erkannt hat, gut zu machen. Und Vertrauen wäre dann der Kollateraleffekt. Umgekehrt formuliert: Niemand ist vertrauenswürdiger als der erfolgreiche Heiratsschwindler. Vertrauen ist eben ein relativer Wert. Es kann immer diese oder jene Schlagseite bekommen.
RB: Sie bezeichnen Vertrauen in diesem Zusammenhang als Ressource.
Dürnberger: Ja, denn es ist nicht an sich gut, in jeder Hinsicht zu vertrauen. Es ist eine Ressource, ein Mittel, um zum Beispiel Proleme zu lösen, die nur gemeinschaftlich gelöst werden können. Insofern ist es ein „Rohstoff“, mit dem man aber auch arbeiten muss.
Die Salzburger Hochschulwochen gibt es seit 1931. Sie sind ein interdisziplinäres Forum, in dem sich die Theologie dem Dialog über aktuelle Fragen mit weltlichen Wissenschaften stellt. Heuer läuft die Veranstaltung vom 29. Juli bis 4. August. Das Motto: „Fragiles Vertrauen – Über eine kostbare Ressource“
Infos unter: salzburger-hochschulwochen.at
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