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Auf die Ankündigung, dass ich nach Israel reise, war ein freundschaftlich-besorgtes: „Spinnst du?“, keine außergewöhnliche Reaktion meiner Familie und Freunde. Ganz verneinen konnte ich diese Frage nie, weil man vielleicht wirklich ein wenig „spinnen“ muss, um während dieser aktuellen heißen Phasen des Nahostkonflikts ausgerechnet nach Jerusalem zu reisen. Zehn Tage verbrachte ich im August in der Dormitio-Abtei im Zuge von Klostertagen für junge Männer.
Die Dormitio-Abtei ist das deutschsprachige Benediktinerkloster auf dem Zionsberg, unmittelbar vor den Mauern der Jerusalemer Altstadt. Der Ort, an dem sie 1910 errichtet wurde, ist höchst bedeutsam in der christlichen Tradition. Nicht nur befindet sich direkt neben ihm der Saal des Letzten Abendmahls, hier werden auch die Erscheinung des auferstandenen Jesus, das Pfingst-ereignis sowie der Tod und die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel verortet. Vom letzten Ereignis leitet sich auch der Name der Abtei ab. Dormitio Beatæ Mariæ Virginis – Entschlafung der Seligen Jungfrau Maria – landläufig: Mariä Himmelfahrt.
In diesem geschichtsträchtigen Haus durfte ich also einige Tage mitleben, mitbeten und mitarbeiten. Gemeinsam mit zwei anderen jungen Männern, die ebenfalls wegen der Klostertage ins Heilige Land reisten und fünf Volontärinnen und Volontären, die längere Zeit dort verbringen.
Unter der im Jahr 1910 errichteten Kirche der Abtei liegt die Krypta, deren Mitte eine etwa lebensgroße Figur der Maria am Sterbebett bildet. Einer der Seitenaltäre der Krypta ist den österreichischen Diözesen gewidmet. Auf tiefblauem Hintergrund sind hier einige der Heiligen Österreichs im Mosaik verewigt. Unter ihnen auch die beiden Patrone Salzburgs: der heilige Rupert und die heilige Erentrudis, sowie die heilige Notburga, die besonders in Tirol verehrt wird. Diese Darstellungen sind nicht alt – sie stammen aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Auch hatte Rupert keinen besonderen Jerusalem-Bezug. Es wissen auch nur wenige, dass er sowie Erentrudis in Jerusalem zu finden sind. Und doch ist es etwas sehr Spezielles, unsere Diözesanpatrone dort zu sehen, wo man sie nicht erwartet.
Der Krieg hinterlässt in Jerusalem seine Spuren, auch wenn die Stadt selbst kein Ziel von Raketenangriffen ist. Seit dem 7. Oktober 2023 hat sich etwas verändert, das ist überall wahrnehmbar. Der Zwölftagekrieg zwischen Israel und dem Iran im Juni dieses Jahres hat die Zahl der Pilgerinnen und Pilger noch mehr schrumpfen lassen. Das bedeutet, die Grabeskirche ist nahezu leer. Besucherinnen und Besucher fehlen in der Dormitio-Abtei fast gänzlich.
Für mich war das ein Glück. Die heiligen Stätten im Land wie die Grabeskirche oder der Garten Getsemani zählen in Friedenszeiten mehrere tausend Gläubige pro Tag. Jetzt konnte ich, ohne zu warten am Heiligen Grab beten. Die Wirkungsstätten Jesu und die Schauplätze der Bibel so zu erleben, veränderte meine Wahrnehmung der Texte, auch wenn natürlich sehr viel davon mittlerweile ganz anders aussieht als vor 2.000 Jahren. Eine Grundstimmung vermittelt sich dennoch ganz von selbst, wenn man mitten in Jerusalem diese Psalmworte betet: „Denn der HERR hat den Zion erwählt, ihn begehrt zu seinem Wohnsitz.“
Der Konvent der Dormitio-Abtei ist nicht nur in Jerusalem beheimatet: Ein Teil der Gemeinschaft lebt in ihrem Priorats in Tabgha am See Genezareth, wo sie neben der Brotvermehrungskirche eine Begegnungsstätte „Beit Noah“ für Menschen mit Beeinträchtigung, egal ob jüdisch muslimisch oder christlich führen. Tabgha nennen sie auch liebevoll „das heruntergekommenste Kloster der Welt“, weil es im Jordangraben auf 200 Metern unter dem Meeresspiegel liegt.
Ich durfte die Gemeinschaft der Dormitio-Abtei als einen Hafen der Sicherheit und Ruhe, des Dialogs und der Vernunft erleben, in einem turbulenten und gespalteten Land. Und ich bin mir sicher, dass ich wieder dorthin reisen werde. Das Heilige Land zieht einen in seinen Bann – trotz des Konflikts, der keine Lösung zu haben scheint. Jerusalem wird als „Stadt des Friedens“ bezeichnet – ein bleibender Ausdruck der Hoffnung.
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